Mein Netzwerk: Retto Jost
Comedian Retto Jost gehört zu meinem engeren Freundeskreis. Vor einigen Monaten hat er sich mit seinen Leidenschaften in die Selbständigkeit gewagt. Es freut mich, dass er seine Hobbies zum Beruf machen kann und sie mit der Welt teilt. Ich stelle dir also gerne diesen witzigen und kreativen Menschen Retto vor.
Hallo Retto
Erzähl mir von dir und was du so alles machst.
Ich bin Retto aus Bern und in erster Linie süchtig danach neue Dinge auszuprobieren. Wenn ich etwas sehe, das mich interessiert, will ich das selbst erleben. Manche Dinge tue ich dann nur kurz, andere länger. Das ist mitunter der Grund das ich aktuell hauptberuflich als Komiker tätig bin. Auf weiteren Standbeinen bin ich Künstler, Schriftsteller und ein kleines bisschen Musiker. Zudem darf ich mich als Mitbegründer des Ateliers «Magrathea» zählen, einem interdisziplinären Gemeinschaftsatelier in Zollikofen.
Ansonsten liebe ich Alpaccas, viel Bewegung, die Aare, meinen Bus Marvin und natürlich meine Freundin.
Wie bist du Comedian geworden?
Auf Bühnen zu stehen und Leute unterhalten mochte ich immer schon. Das ist wohl alles meiner Geltungsneurose (so würde ich Das bezeichnen) zuzuschreiben. In der Schule habe ich schon sehr gerne Theater gespielt, war tatsächlich der Klassenclown und auch an Familienfesten wurden die anwesenden nicht von einer Aufführung verschont. Qualitativ war das eher unterirdisch.
Angefangen hat dann aber alles mit Rap und meiner Band «Fygeludi» mit der ich über zehn Jahre Bühnenerfahrung sammeln durfte. Als die Mitglieder in einer Pause andere Projekte verfolgten, kam bei mir mal wieder der Gedanke es als Komiker zu versuchen. Ich hatte damals schon viel Comedy geschrieben und es auch gerne konsumiert. Dann habe ich irgendwie den Rank gefunden mich für einen Auftritt bei Stand Up Bern anzumelden. Der lief ziemlich gut und, so pathetisch das klingen mag, von da an wusste ich, dass ich das intensiver machen wollte.
Wie bist du Schriftsteller und Künstler geworden?
Geschrieben habe ich immer schon gerne. Sobald ich die ersten Buchstaben gelernt habe, dachte ich, ich könne ein Buch schreiben. Es hat sich dann allerdings herausgestellt, dass es etwas mehr als vier Seiten dafür braucht. Ich habe einfach immer geschrieben und Geschichten erfunden und plötzlich hatte ich das Glück, dass ich es tatsächlich geschafft habe, eine Geschichte zu beenden und diese als Buch zu veröffentlichen.
Künstler werden war für mich die Alternative zum Bananenbrot während der Corona Zeit. Wir haben bei uns zuhause ein kleines Atelier eingerichtet, eher für meine Freundin, weil sie früher viel mehr gemalt hat. Ich wollte das eigentlich nie, weil ich in der Schule nie «gut» darin war. Ich konnte nicht genau zeichnen. Als ich aber während der Coronapandemie nicht auftreten konnte und ich immer einen Ausgleich zum Schreiben benötige, habe ich einfach mal damit begonnen Farbe auf Leinwände zu hauen, bis mir das Bild gefiel. Der kreative Prozess ist an sich in den meisten Bereichen gleich, man muss viel zerstören und verwerfen, um zum besten Resultat zu kommen. Die Malerei hat mir diesbezüglich sehr viel beigebracht. Die Bilder fanden dann vielmehr Anklang, als ich gedacht habe.
Was war dein Traumberuf damals, wie sieht dein Traum heute aus?
Aufgrund der vielen Interessen hatte ich auch viele Traumberufe. Der «normalste» war Erfinder zu werden. Auch zur Auswahl stand Tennis- und/oder Skateboard Profi. Auf der Liste war aber tatsächlich auch Schriftsteller, weil ich gerne geschrieben habe und Komiker, weil der Schwager meines Göttis Komiker ist.
Mein aktueller Traum ist, dass ich nicht zu stark zwischen Beruf und Freizeit unterscheiden muss. Darum würde ich heute versuchen für über mein «Traumleben» zu sprechen. Das sieht vor, dass ich möglichst viel Zeit damit verbringen kann, die Dinge zu tun, die ich liebe. Diese Momente zu schaffen und diese auszukosten ist mein grösster Traum.
Wie sieht dein Alltag aus?
Sehr unterschiedlich, aber strukturierter als ich erwartet habe. Ich stehe praktisch jeden Tag mit meiner Freundin auf, mache uns Kaffee. Danach mache ich einen kurzen Sprachkurs und lese ein bisschen. An Mon- und Dienstagen arbeite ich eher an administrativen Aufgaben (Bookings, Verträge, Rechnungen, Homepage, Telefonate etc.). Ich versuche allerdings auch jeden Tag zu schreiben, was mir manchmal besser und manchmal schlechter gelingt.
Einen Tag in der Woche bin ich fix im Atelier und versuche keine anderen Verpflichtungen zu haben.
Dazu kommen die Auftritte. In den Wintermonaten bin ich dann im Schnitt ca. zwei bis dreimal pro Woche abends irgendwo in der Deutschschweiz unterwegs. Da kommen tagsüber auch manchmal die Proben hinzu. Das ist abhängig davon, welches Programm ich vor welchem Publikum spiele und ob es ein Kurzauftritt oder meine eigene Show ist.
Hattest du jemals Selbstzweifel oder kreative Blockaden? Und wie gehst du damit um?
Absolut! Ich denke jede Person, die in einem kreativen Bereich tätig ist, kennt die Blockaden. Selbstzweifel geht noch über die kreativen Berufe hinaus. Gerade wenn ich ein neues Programm schreibe, gehe ich von purer Euphorie zu brutaler Frustration beinahe im Stundentakt. Besonders in der Comedy, weil das auch mein Hauptstandbein und die Fallhöhe auf der Bühne riesig ist, habe ich oft Selbstzweifel.
Bei Blockaden hilft bei mir in den meisten Fällen viel Bewegung. Spaziergänge oder Sport. Auch Austausch mit anderen Menschen, egal aus welcher Branche, hilft immer.
Selbstzweifel sind schwieriger. Hat man die, muss man sich Erfolgserlebnisse verschaffen. Das will man dann nicht, weil man Angst hat zu versagen. Also versucht man Situationen auszuweichen, in denen man scheitern könnte. Wenn man scheitern kann, kann man eben auch gewinnen und da lägen die Erfolgserlebnisse. Ich habe das Glück, dass meine Impulskontrolle etwas gestört ist und ich mich selbst austricksen kann. Das heisst, dass meine rationalen Zweifel und Ängste in diesem Moment nicht mitbestimmen und ich begebe mich in diese Situationen, bevor ich drüber nachgedacht habe.
Worauf bist du am meisten stolz in deiner bisherigen Karriere?
Ich bin richtig stolz darauf, den Mut aufgebracht zu haben, nun voll auf diese Karte zu setzen.
Was sind deine beruflichen oder auch persönlichen Ziele?
Ganz spezifisch als Komiker: Als ich beschlossen hatte Komiker zu werden, habe ich mir drei Ziele gesetzt. Eins davon ist bereits erreicht. Die zwei die übrig bleiben sind: Ein Auftritt am Arosa Humorfestival und eine Premiere im Stadttheater Bern. Frei nach dem Motto «Gross denken, klein handeln».
Grundsätzlich möchte ich aber Herr über meine Zeit sein. Daher möchte ich in einem Masse von meiner Kunst leben können, die meine Flexibilität nicht beeinträchtigt.
Hast du Ratschläge für Leute, die sich selbständig machen wollen?
Da ich erst seit diesem März Selbstständig bin und eine frühere Selbstständigkeit aufgegeben habe, möchte ich mir ungern anmassen, dass ich darin Experte bin. Aber wenn ich etwas weitergeben kann, dann folgendes:
Friedrich Dürrenmatt hat mal gesagt «Wer das Scheitern nicht wagt, soll die Hände von der Kunst lassen». Ich würde sagen, das gilt nicht nur für die Kunst. Scheitern bringt uns weiter, beruflich oder persönlich. Daher mein Tipp: Man sollte sich nicht von hypothetischen Problemen in der Zukunft einschüchtern lassen. Einfach mal machen, die meisten Probleme lassen sich dann irgendwie lösen. Zusammengefasst: Keine Sorge, das wird schon!
Hast du sonstige Tipps oder Ressourcen spezifisch für Comedians, Schrifsteller:innen oder Künstler:innen?
Auch hier möchte ich auf Zitate zurückgreifen, die sich hervorragend adaptieren lassen.
Für Künstler:innen:
Andy Warhol hat gesagt, «Denke nicht an das Erschaffen von Kunst, mach es einfach!»
Für Schriftsteller:innen:
Stephen King sagt in seinem Buch «Das Leben und das Schreiben», «Wer Schriftsteller:in sein will muss in erster Linie viel lesen und viel Schreiben.»
Für Komiker:innen:
Nur mit viel Auftreten, wird man besser. Beschränkt euch dabei nicht nur auf euer Stammpublikum. Setzt euch auch mal schwierigen oder ungewöhnlichen Situationen aus. Denn das wichtigste in der Unterhaltungsbranche kann man aus einem Zitat von Jose Mourinho lernen: «Know your audience».
Danke lieber Retto! Dein Interview fand ich persönlich sehr inspirerend. Ich wünsche dir ganz viel Erfolg bei all deinen zukünftigen Projekten.
Übrigens wird Retto am 14. September 2023 eine Lesung seines Buches “Achthundertdreiundsiebzig ungelesene Nachrichten” im Studio LOFT halten. Melde dich dafür hier an.
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Titelbild: ©Retto Jost, Foto: Rachel Liechti